Propriozeptive Wahrnehmung

Beschreibung:

Zwischen Muskeln, Sehnen und Gelenken besteht ein Zusammenspiel. Über Rezeptoren geben sie die Rückmeldung über den Spannungszustand des Bewegungsraum- und Stützapparat an das Gehirn. Dies ist die propriozeptive Wahrnehmung, die auch Tiefensensibilität genannt wird.

Diese Propriozeptoren geben Informationen über die Lageveränderungen der Gelenke, die Positionen der einzelnen Körperteile und die Veränderung der Körperhaltung. Zudem vermitteln sie auch die Lage- und Bewegungsempfindungen.

Zur Tiefensensibilität gehören auch die Hals-und Nackenmuskulatur. Diese Muskulatur gibt dem Kind Informationen über die Stellung des Kopfes zum Körper. Zusätzlich gelangen über das Sehen weitere Informationen an das Gehirn. Dadurch ergibt sich ein Gesamteindruck, welcher einem beispielsweise vermittelt, ob und wie sehr die Nackenmuskulatur gestreckt ist.

Die Grundlagen für die motorische Planung werden ebenfalls über die Informationen aus diesem System gebildet und sind für einen koordinierten und harmonisch fließenden Ablauf einer Bewegung beteiligt.

Als erster Schritt wird die Wahrnehmung an das Gehirn gemeldet, danach werden diese Informationen verarbeitet und daraufhin werden die Anpassungsreaktionen ausgeführt.

Die taktile und tiefensensible Wahrnehmung trägt zur Entwicklung des Körperschemas bei. “Körperschema” bedeutet an dieser Stelle das Bewusstsein für den eigenen Körper, wie dieser aufgebaut, strukturiert und proportioniert ist.

Das Zusammenspiel taktiler, tiefensensibler und visueller Wahrnehmung unterstützt das gezielte greifen oder das Treppensteigen.

Die Wahrnehmung teilt sich auf in:

Stellung: Ich nehme ohne visuelle Wahrnehmung wahr, wie meine Füße stehen. Ich spüre in welcher Stellung sich mein Körper befindet und spüre die Stellung der Gelenke. Dies bezieht sich auf meinen Körper in Ruheposition.

Bewegung: Ich nehme wahr, dass ich eine Bewegung zum Beispiel im Ellenbogengelenk mache ohne es zu sehen. Ich spüre die Bewegungen in den Gelenken.

Kraftdosierung: Die Fähigkeit die eigene Kraftdosierung wahr zu nehmen und zu steuern. Das Kind muss wissen, wie viel Druck es für eine Umarmung eines anderen braucht.

Symptome

  • die Kinder erscheinen ungeschickt
  • sie haben Schwierigkeiten beim Fahrrad fahren
  • ihre Bewegungen erscheinen unkoordiniert
  • Die Kinder schaukeln häufig mit ihrem Stuhl und müssen ständig in Bewegung sein.
  • sie umarmen ihre Mitmenschen sehr fest
  • sie haben Einschränkungen beim Greifen von verschiedenen Gegenständen da sie zu fest drücken (z. B. zerquetschen sie Himbeeren beim Pflücken oder beim Schreiben bricht die Stiftspitze durch den Druck ab)
  • sie stolpern häufig
  • sie haben häufig einen hypotonen Grundtonus.
  • sie nehmen ihren Schmerz nicht war, wenn sie sich anstoßen
  • Bewegungsabläufe wirken tollpatschig und plump
  • das Laufen auf unebenen Flächen fällt schwer
  • sie suchen extreme propriozeptive und vestibuläre Stimulation (schaukeln wild oder drehen sich ganz schnell)
  • sie zeigen mangelhafte Stell- und Gleichgewichtsreaktionen
  • ihnen fällt schwer Formen auszumalen oder Begrenzungslinien einzuhalten
  • möglicherweise ist das Schreibtempo verlangsamt, da die Eigenwahrnehmung hinsichtlich des Schreibens reduziert ist und es ihnen somit schwerer fällt sich zu konzentrieren

Therapieinhalte:

Das Therapieziel ist es, dass das Kind tiefensensible Reize vermehrt wahrnimmt und die Bewegungsabläufe und die Feinmotorik differenziert sind.

Hierzu gibt es verschiedene Therapieansätze welche je nach Kind angewendet werden. Die sensorische Integrationstherapie nach Ayres befasst sich beispielsweise mit der Wahrnehmung und Verarbeitung vom Gefühl und Einfluss der Schwerkraft, des Tastsinns und der verwendeten Muskelkraft. Eine Übung könnte beispielsweise sein, dass sich das Kind in Bauchlage auf den Boden legt, Beine und Brustkorb anheben und dann Sandsäckchen welche um es herum verteilt findet einsammeln soll. Hierbei merkt es aktiv die Schwerkraft welche auf die Gliedmaßen wirkt. Es muss ein gewisses Maß an Kraft aufwenden, um die Sandsäckchen anheben und sich bewegen zu können. Zudem bekommt es zusätzlich einen taktilen Reiz von der Berührung des mit Sand gefüllten Säckchen.

Eine weitere Methodik ist das sogenannte Affolter Modell. Hierbei werden z. B. die Hände der PatientInnen sanft von den TherapeutInnen geführt, sodass sie sich voll und ganz auf die Wahrnehmung konzentrieren können. Dies kann beispielsweise bei Alltagshandlungen der Fall sein, wie das beschmieren eines Brotes.

Im Folgenden haben wir Ihnen einen möglichen Aufbau einer Therapie geschildert:

Eine große Holzkiste wird mit verschiedenen Gewichten gefüllt. Das Kind muss diese Kiste zu einem anderen Ort stoßen. Dort wird diese Kiste dann entladen.

Das Gewicht wird innerhalb der Therapie durch zugabe oder wegnahme von Sachen verändert und das Stoßen wiederholt. Das Kind muss hierbei eine gute motorische Adaptionsleistung zeigen.

Wenn die Kraft erhöht wird, wird der Widerstand herabgesetzt. Das Kind soll weiterhin gegen den Widerstand arbeiten, nun jedoch ohne übermäßig viel Kraft einzusetzen.

Anschließend wird eine Schachtel verwendet. Diese Schachtel wird mit verschiedenen Gewichten gefüllt. Zusätzlich wird diese Schachtel an einem Seil befestigt. Das Kind muss in einem kindgerechten Spiel versuchen die Schachtel an sich heranzuziehen.

Am Ende der Therapiestunde wird z. B. Villa Paletti oder Jenga gespielt. Hier muss das Kind seine Kraft gezielt einsetzen, damit z. B. der Turm nicht zusammenfällt.

Unser Tipp:

Spielen sie mit ihrem Kind zum Beispiel Jenga, Villa Paletti oder spielen sie mit Bauklötzen. Dabei wird die Kraftdosierung, Feinmotorik und die visuelle Wahrnehmung gefördert.

Gehen sie mit ihrem Kind häufig auf den Spielplatz oder in den Wald, um das räumliche Gefühl zu bekommen und verschiedene taktile (Tastsinn) Reize zu erfahren.

Wenn ihr Kind sie zu fest umarmt, sprechen sie mit ihrem Kind darüber (Feedback).

Lassen sie ihr Kind auf dem Trampolin springen. (Körperwahrnehmung und Bewegungsplanung) Spielen sie mit ihrem Kind Gummitwist oder Seilspringen( Körperwahrnehmung und Bewegungsplanung).

Es wäre sinnvoll, wenn ihr Kind Ihnen bei der Gartenarbeiten hilft zum Beispiel Pflanzen eingraben oder die Schubkarre fahren (Kraftdosierung und Bewegungsplanung).

Sägen und schleifen sie mit ihrem Kind gemeinsam eine Holzschiff (Kraftdosierung, Aufmerksamkeit, Grobmotorik, Feinmotorik, visuelle Wahrnehmung und Handlungsplanung).

Benutzen sie Gewichtsdecken oder Sitzkissen für ihr Kind und decken sie es damit zu oder legen es während der Hausaufgaben / des Essens auf den Schoß (Körperwahrnehmung).

Lassen sie ihre Kinder den Einkaufswagen schieben (Bewegungswahrnehmung und Kraftdosierung) oder lassen sie ihren Einkaufskorb von ihren Kindern tragen (körperliche Eigenwahrnehmung).

Massieren sie ihre Kinder mit festem Druck oder lassen sie ihre Kinder sich selbst eincremen (Tiefensensibilität).

Führen sie das Schlafritual Phantasiereise vor dem Schlafen oder zur Auszeit ein. Um Regen zu simulieren tippen sie sanft mit den Fingern auf dem Rücken des Kindes, der Wind wird durch wischen über den Rücken dargestellt usw. ( Körperwahrnehmung, Aufmerksamkeit und reduziert körperliche Unruhe).

Backen sie mit ihren Kindern Plätzchen oder einen Kuchen (Feinmotorik, Kraftdosierung, Tiefensensibilität, visuelle Wahrnehmung und Aufmerksamkeit).

Lassen sie ihr Kind verschieden schwere Bälle werfen (Kraftdosierung, visuelle Wahrnehmung und Bewegungsplanung).

Ihr Kind soll Wasser in verschiedene Behälter füllen (Kraftdosierung, visuelle Wahrnehmung und Bewegungswahrnehmung).